5. Einige Charakteristika der Hochbegabung

Die Fachliteratur hat seit langem festgestellt, dass die Personen mit Hochbegabungen bestimmte Entwicklungseigenschaften haben, die einerseits mit positiven Indikatoren (z.B. hervorragende Merkfähigkeit), andererseits mit negativen Indikatoren (z.B. psychomotorische Ungeschicklichkeit) verbunden sein können. Diese verwirrenden Tatsachen führen zu  Schwierigkeiten, und die dadurch bewirkten Verschiedenheiten („fehlende Synchronie“) verlangen nach massgeschneiderten pädagogischen Antworten bzw. Massnahmen.

Im allgemeinen variieren die Indikatoren, die die Eignungen charakterisieren, in ihrer Art und in ihrer Intensität. Das Konzept von frz. „Anisauxie“  ( an = „nicht“, is  = „gleich“, auxie = „Entwicklung“) oder deutsch der „Wachstums- und  Entwicklungsungleichheit“ kann unter Zuhilfenahme vielfacher Kriterien, in intra-individueller Form,  in zwischen-individueller Form oder auch zwischen sozialen Gruppen, ja ganzen Gesellschaften beobachtet werden. Es ist ein bio-sozio-psychologisches Konzept und daher eine historische Sichtweise. Es charakterisiert alle Entwicklungsungleichheiten, ob sie als vorteilhaft oder hemmend eingestuft werden, und ist Bestandteil einer Interdisziplinarität, deren gemeinsamste Regel es ist. So können im intellektuellen Bereich hochbegabte Kinder manchmal nicht sehr entwickelte oder sogar durchschnittliche Eignungen in anderen Bereichen aufweisen (können, müssen aber nicht!), wie in jenen der Lektüre, der Schrift, der Wortgewandtheit, des Erfindungsgeistes, der Geschicklichkeit oder der motorischen Kraft jeglicher Art usw.

Das Anpassungsvermögen dieser mehrdimensionalen Vielfalt an die interpersonellen Beziehungen oder an die Integration in Gruppen kann von der sozialen Kompetenz abhängen, kann aber auch durch gezielte und grundlegende Förderungsmassnahmen in diesen kritischen  Bereichen erhöht werden, d.h. durch ein direktes Eingreifen und Einwirken auf die konstitutiven Eigenschaften der Hochbegabung. Dieses Intervenieren kann individuell oder gemeinsam erfolgen.

Es ist offensichtlich, dass eine psychologische Intervention, die nur auf die Identifikation der Eignungen ausgerichtet ist, und welche die Handlungs- und Vertiefungsmöglichkeiten rund um Begabungsfelder vernachlässigt, schnell als sehr ungenügend erscheint, selbst wenn sie einen nützlichen ersten „Auslösereffekt“ haben kann.

Es ist also umso schädlicher, auf der Familien- und Schulebene lediglich erzieherische Einheits- Maßnahmen vorzuschlagen, als die Entwicklungsprofile der Begabungen sowohl des Individuums wie auch zwischen Individuen, ja zwischen sozialen Gruppen sehr viel heterogener sind. Erfreulicherweise nimmt ein heterogenes Vorgehen inzwischen in den Schulen (und sogar in den Familien) zu. Dadurch bereitet sie auf eine Gesellschaft vor, die immer weniger durch enge, ja starre geographische Nachbarschaft und Werte definiert ist.

So kommt es, dass die Identifikation/ Definition von Begabungskriterien, die Analyse und das Steuern ihrer Wechselwirkung in sich selbst ein Unterfangen darstellt, das gleichzeitig gezielte interaktive Beiträge als auch eine Gesamtkoordinierung erfordert. Es ist dies eine wesentliche Zielsetzung und Orientierungshilfe für die Tätigkeit von Eurotalent.

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